Einführendes Kapitel in die Neuausgabe des Buches Die Mädchen von Zimmer 28 © Hannelore Brenner. Edition Room 28. Erscheinungsdatum April 2025.
Einführendes Kapitel in die Neuausgabe des Buches Die Mädchen von Zimmer 28 © Hannelore Brenner. Edition Room 28. Erscheinungsdatum April 2025.
Rückblick, 2024 (7)
Aspekte der Erinnerung
Bei all den Abgründen, die sich auftaten, wenn die Frauen zurückblickten auf das, was in ihrer Kindheit geschah – mit der Erinnerung an das Zimmer 28 wurden auch helle Erinnerungen wach.
Fast will es scheinen, als sei an keinem anderen Ort zu jener Zeit versucht worden, Erziehung ernster zu nehmen und pädagogische Ideen und Ziele, in den Grenzen des Möglichen, mit stärkerem Willen in die Praxis umzusetzen als in Theresienstadt; was natürlich zum einen daran lag, dass es keinen vergleichbaren Ort gab, an dem auf kleinster Fläche fast die gesamte jüdische Bevölkerung eines einzigen Staates und mithin deren geistige Elite – Künstler,Pädagogen, Professoren, Wissenschaftler – versammelt war. Vor allem aber war dies möglich, weil unter diesen Menschen so viele waren, deren aufopfernde Fürsorge den Kindern galt. Menschen wie Gonda Redlich, Fredy Hirsch, Walter Eisinger, Rudolf Freudenfeld, Ilse Weber, Kamila Rosenbaum, Ella Pollak oder– einzigartig in ihrer Bedeutung für viele Kinder – die Wiener Künstlerin und Kunstpädagogin Friedl Dicker-Brandeis, in deren Unterrichtsstunden über viertausend Kinderzeichnungen entstanden.
Fast will es scheinen, als sei an keinem anderen Ort zu jener Zeit versucht worden, Erziehung ernster zu nehmen und pädagogische Ideen und Ziele, in den Grenzen des Möglichen, mit stärkerem Willen in die Praxis umzusetzen als in Theresienstadt; was natürlich zum einen daran lag, dass es keinen vergleichbaren Ort gab, an dem auf kleinster Fläche fast die gesamte jüdische Bevölkerung eines einzigen Staates und mithin deren geistige Elite – Künstler,Pädagogen, Professoren, Wissenschaftler – versammelt war. Vor allem aber war dies möglich, weil unter diesen Menschen so viele waren, deren aufopfernde Fürsorge den Kindern galt. Menschen wie Gonda Redlich, Fredy Hirsch, Walter Eisinger, Rudolf Freudenfeld, Ilse Weber, Kamila Rosenbaum, Ella Pollak oder– einzigartig in ihrer Bedeutung für viele Kinder – die Wiener Künstlerin und Kunstpädagogin Friedl Dicker-Brandeis, in deren Unterrichtsstunden über viertausend Kinderzeichnungen entstanden.
Die in der Jugendfürsorge und in der Freizeitgestaltung tätigen Erwachsenen und mit ihnen viele andere setzten alles daran, für die Kinder einen geschützten Raum zu schaffen. »Wir wollten unserer Jugend ein Heim schaffen, einen Ort, wo sie ernst genommen wird, wo sie ungestört jung sein durfte, wo sie nicht ununterbrochen den Erörterungen der Tagesfragen ausgesetzt war«, schrieb Mitte 1943 der legendäre zionistische Jugendführer Fredy Hirsch in seiner Bilanz zum einjährigen Bestehen der Jugendheime. »Wir wollten ihr inmitten des gehäuften Elends ein relativ schönes Zuhause schaffen.«
Was für die meisten Häftlinge auf Theresienstadt folgen sollte, konnte gewiss niemand erahnen. So ging es einzig darum, die Hoffnung auf die Zeit nach dem Krieg auszurichten, sich auf die Zeit danach vorzubereiten, und dies nicht nur in einem physiologischen Sinne. »Wir erlebten, dass in den letzten eineinhalb Jahren Begriffe, die sonst als unantastbar in der menschlichen Gemeinschaft galten, eine Umwertung erfuhren, die viele von uns nicht verstehen können«, heißt es in Fredy Hirschs Bericht. »In diese Welt bauten wir Jugendheime. Der Versuch, die Kinder vor der Entwertung des Guten zu retten, musste unternommen werden.« Und er schließt mit den Worten: »Ich glaube, dass die Kinder später einmal an ihr Heim, das wir ihnen in Theresienstadt zu schaffen versuchten, gern zurückdenken werden. Es wäre furchtbar, wenn dieses Theresienstadt unserer Jugend eine nie wiedergutzumachende geistige und körperliche Niederung bedeuten würde.«
Grausam die Vorstellung, dass trotz aller Bemühungen um das Wohl und das Überleben der Kinder mehr als 14.000 von ihnen das Kriegsende nicht mehr erleben durften. Tröstlich der Gedanke, dass sich die Hoffnung Fredy Hirschs in jenen, die überlebten, doch noch erfüllen sollte
Weitere Passagen folgen in ein paar Tagen