Die Geschichte, die das Buch erzählt, ist heute mehr als acht Jahrzehnte her. Sie basiert auf authentischen Dokumenten aus dem Ghetto Theresienstadt, insbesondere auf dem
Tagebuch von Helga Pollak-Kinsky und dem Poesiealbum von Anna Hanusová geb. Flachová, von ihren Freunden "Flaška" genannt. Sie basiert auch den Erinnerungen der Überlebenden vom Zimmer 28. Es ist eine Multibiographie wie auch eine dokumentarische und lebendige Erzählung eines Gruppenschicksals, erzählt im historischen Kontext.
Es war in den Jahren 1942 bis 1944. Damals waren "Flaška" und die Mädchen, die mit ihr im Zimmer 28 des Mädchenheims L 410 im Ghetto Theresienstadt lebten, zwischen 11 und 14 Jahre alt. Sie waren Ghetto-Häftlinge, einige der rund 76.000 Juden aus dem »Protektorat Böhmen und Mähren«, die mit dem Einrücken deutscher Truppen in ihre Heimat, der Tschechoslowakischen Republik, ihr Zuhause, ihr Hab und Gut und schließlich ihr Existenzrecht verloren und ins Ghetto Theresienstadt deportiert wurden. Dort, im Zimmer 28, trafen ihre Schicksalswege aufeinander. Betreut von Erwachsenen, Ghetto-Häftlinge wie sie, lebten sie für eine Weile zusammen, schliefen auf zwei- und dreistöckigen Holzpritschen, nahmen gemeinsam ihre dürftigen Essensrationen ein, hörten am Abend der Betreuerin zu, wenn sie aus einem Buch vorlas, oder erzählten sich, wenn das Licht gelöscht wurde, von ihren Erlebnissen, ihren geheimsten Gedanken, Sorgen und Ängsten.
Während Tausende von älteren Häftlingen unter desolaten Bedingungen lebten und an Hunger, Krankheiten und seelischem Leid zugrunde gingen, widmete sich eine Gruppe von Erwachsenen – Erzieher, Lehrer, Künstler, Zionisten – den Kindern. Sie waren entschlossen, sie zu beschützen, sie zu unterrichten, ihnen Mut zu machen. Und vor allem: sie auf eine bessere Zukunft vorzubereiten.
Doch immer wieder wurden einige Mädchen jäh aus ihren Reihen gerissen; sie mussten antreten zum gefürchteten »Transport nach Osten« – eine Metapher für die immer gegenwärtige Angst, die den Alltag beherrschte. Neue Mädchen kamen, neue Freundschaften entstanden. Dann wurde auch diese Gemeinschaft durch Transport erschüttert .
Und doch gab es Augenblicke, da erlebten die Kinder das Zimmer 28 als eine Insel der Freundschaft und der Hoffnung. Dann lernten, spielten, sangen sie, oder sie malten im Unterricht der Künstlerin und Kunstpädagogin
Friedl Dicker-Brandeis.
Als ab Juli 1943 die Kinderoper
Brundibár von Hans Krása und Adolf Hoffmeister geprobt wurde, waren auch einige der Mädchen vom Zimmer 28 dabei. Sie liebten diese Oper. Unter dem Druck der Geschehnisse wuchsen die Kinder zu einer Gemeinschaft zusammen, die in jedem Augenblick der immer gleiche Wunsch, die immer gleiche Hoffnung und Sehnsucht einte: Dass Deutschland bald besiegt und der Krieg endlich vorüber sein möge; eine Gemeinschaft auch, die sich eine Hymne und eine Flagge schuf und die eine Organisation gründete, den
»Ma‘agal« – das ist hebräisch für Kreis und im übertragenen Sinne: Vollkommenheit. Es war das Ideal, nach dem sie strebten.
Im Herbst 1944 wurde das Band der Mädchen ein letztes Mal zerrissen. Und nachdem in einem einzigen Monat zwischen dem 28. September und dem 28. Oktober über 18.400 Menschen nach Auschwitz-Birkenau deportiert worden waren, gab es kein Mädchenheim und kein Zimmer 28 mehr.