Einblick-9

Einblick-9

Heute veröffentliche ich die letzte Passage des einführendes Kapitels der Neuausgabe des Buches Die Mädchen von Zimmer 28. Ich weiß und ich frage mich: Wen interessiert dies heute, wo uns die Vergangenheit einholt und sich genau das entwickelt, was damals in die Katastrophe, zum 2. Weltkrieg und zum Holocaust führte?

Mir ist, als ob die Vergangenheit, in die ich ab 1996 eingetaucht bin, um die Geschichte der "Mädchen von Zimmer 28" zu erzählen, als Gegenwart gewaltig wie ein Tsunami über mich hereinbricht. 

Nichts hat sich seit 1945 geändert - auf der einen Seite die Skrupellosen, denen es nur um Macht und ums eigene Ego geht, auf der anderen Seite Menschen, die sich als soziales Wesen begreifen, in denen ein menschliches Herz schlägt.


Thomas Mann, Dieser Friede, 1938

"Die Geschichte des Verrats der europäischen Demokratie an der Tchechoslowakischen Republik, der Darbringung dieses der Demokratie verbundenen und auf sie vertrauenden Staates an den Fascismus, um ihn zu retten, ihn dauernd zu befestigen und sich seiner als eines Landsknechtes gegen Rußland und den Sozialismus zu bedienen, – diese Geschichte gehört zu den schmutzigsten Stücken, die je gespielt worden sind. (…) Erbarmungslos, ungerührt, von zehntausendfachem Menschenelend, von dem Seelenzustand einer tapferen und gläubigen Nation, die für ihre Freiheit und für die Freiheit überhaupt zu kämpfen bereit gewesen war, und von dem Schicksal des deutschen Volkes selbst, seiner geistigen und moralischen Zukunft, wurde dem Gestapo-Staat ein ungeheurer, ihn auf unabsehbare Zeit befestigender Erfolg zugeschanzt, die demokratische Festung im Osten, die  Tschechoslowakische Republik vernichtet und bewusst zu einem geistiggebrochenen Anhängsel des Nationalsozialismus gemacht, die kontinentale Hegemonie Hitler-Deutschlands besiegelt, Europa in die Sklaverei verkauft . Das Entgelt war dieser Friede. (...)

Wahrheit und Vernunft mögen im Äußersten unterdrückt sein für eine schwarze Weile - in uns bleiben sie ewig frei (...) im sicheren Bunde mit allen Besten.


Rückblick, 2024 (9)

 Zeugen eines Wunders
»Wir sind Zeugen eines Wunders«, so Abraham Weingarten, der Ehemann von Hanka Weingarten, geb. Wertheimer, bei einem Gespräch in Spindlermühle. »Alle hier, außer dir und mir, haben den Holocaust erlebt und überlebt. Die Mädchen sind heute Großmütter; jede ist eine Persönlichkeit, jede hat ein anderes Temperament; jede denkt anders und hat einen anderen Weg hinter sich. Und trotz all dieser Unterschiede und trotz der Narben, die das Leben hinterlassen hat – schau sie dir an! Wie sie fröhlich sind, wie sie lachen und singen, wie sie miteinander glücklich sind. Das Leben ist stärker. Ist das nicht ein Wunder?"


Ich glaube, es ist dieses Wunder, das dem Buch zugrunde liegt, und eines der stärksten Motive, das mich zu den Frauen führte und mich bei ihnen und ihrer Geschichte hielt. Als ob es darum ginge ,eine Botschaft  freizulegen, ja, eine Art Vermächtnis in die Zukunft zu retten, stürzte ich mich in die Arbeit. Heute weiß ich eines: Was Freundschaft, Liebe, Hoffnung, Kunst und Kultur im Kampf ums Überleben bedeuten, das habe ich vor allem durch »Die Mädchen von Zimmer 28« erfahren.

Room 28 Promotionpaket und Leseprobe

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