"Wenn man Helga Pollak-Kinsky
in ihrem gemütlichen und stilvoll eingerichteten Zuhause am Stadtrand von Wien besuchte, war ihr vorfreudiges und fröhliches „Hallo“ bereits von außen zu hören," schrieb Christian Hanl
in seinem Nachruf auf Helga. "Gerne hatte sie Menschen um sich und führte anregende Gespräche und Diskussionen mit ihnen. Durch ihren Wissensdurst und ihre Neugierde, ihren kritischen Zeitgeist aber auch ihre Ehrlichkeit war sie eine bereichernde Gesprächspartnerin und Wegbegleiterin in jeglicher Situation."
Christian Hanl
lebt in Wien und war in den letzten Lebensjahren von Helga immer wieder bei ihr zu Gast. Auch initiierte er mehrere Male, im Besonderen als Mitglied des österreichischen Gedenkdienstes, Gesprächskreise mit ihr, um jungen Menschen die Möglichkeit zu geben, Helga kennenzulernen. Damals, als Helga von uns ging, schrieb er diesen Nachruf, der unveröffentlicht blieb. Auf seinen Wunsch hin erscheint er heute auf diesem Wege. Ich werde ihn auch auf die Vereinsseite von Room 28 .V. unter In memoriam
setzen, in der weitere Nachrufe von Helgas Freunden zu finden sind.
Fortsetzung des Nachrufs von Christian Hanl
"Helga war zwar von ihrer äußerlichen Erscheinung her eine kleine und zierliche Person, dahinter versteckte sich aber eine großartige Persönlichkeit mit einem großen Herzen. Ihre Erfahrungen während der Zeit des Nationalsozialismus, ihre Erfahrungen mit Rassismus, Antisemitismus und fehlenden Menschenrechten brachten sie dazu, sich aktiv für eine gerechtere, tolerantere und vor allem menschlichere Welt einzusetzen. Durch ihre Offenheit gegenüber anderen schaffte sie es, sich stets wohl zu fühlen und sie zeigte Interesse und Wertschätzung am Gegenüber. Erst vor einigen Jahren bot sie einer jungen geflüchteten Frau aus Syrien ein Obdach bei sich an und schenkte ihr somit ein willkommenes und sicheres Zuhause, so wie sie es sich in ihrer Jugend gewünscht hätte.
Gemeinsam mit ihren Theresienstädter Freundinnen, welche den Holocaust überlebt hatten und über diese Zeit sprechen konnten und wollten, hatte sie sich zur Aufgabe gemacht, ihre Erinnerungen an die Zeit des Nationalsozialismus und ihre Erlebnisse in den nationalsozialistischen Lagern Theresienstadt, Auschwitz-Birkenau und Oederan wachzuhalten und zu teilen. Helgas Wunsch war es dabei Menschen zu verdeutlichen, wie zerbrechlich eine Demokratie sein kann und wohin Hass, Gewalt und fehlende Menschenwürde führen können. Bei den Gesprächen mit Helga erzählte sie auch immer von Menschlichkeit, Solidarität, Kultur und vor allem von der Wichtigkeit von Freundschaft, welche ihr in schweren Zeiten Kraft und Hoffnung schenkten. Sowohl in der Vergangenheit als auch in der Gegenwart waren Freundschaft und Kultur stets ein Anker für sie. Kultur und Freundschaften waren es, welche ihr Kraft und Hoffnung schenkten und Kultur und Freundschaften war es auch, nach denen sie sich zu Zeiten von Corona sehnte und deren positive Kraft und Energie sie misste. Für ihren Einsatz als Zeitzeugin und ihre unermüdliche Aufklärungsarbeit wurde sie im November 2019 von der österreichischen Übergangsregierung mit dem
Goldenen Verdienstzeichen
der Republik Österreich geehrt.
Trotz ihrer stolzen 90 Jahre schien es, als hätte sie ihre Jugendlichkeit nie verloren und durch ihren Optimismus, ihr herzhaftes Lachen und ihre funkelnden Augen strahlte sie stets eine enorme Lebensfreunde aus. In den letzten Jahren habe ich Helga Pollak-Kinsky zwar als Zeitzeugin kennengelernt, sie aber vor allem als Freundin und Vertraute zu schätzen gelernt. Ihr Lachen, ihr Humor und ihre gute Seele werden mir immer in Erinnerung bleiben und mir stets ein Lächeln ins Gesicht zaubern. Dank Helga habe ich gelernt, wie wichtig Freundschaft ist, dass Freundschaft über schwere Zeiten hinweghelfen kann und eine Bereicherung für das Leben ist. Möge Helgas Wunsch und Streben nach Frieden, Freiheit, Toleranz und Menschlichkeit eines Tages endlich in Erfüllung gehen.
Zum Andenken an
Helga Pollak-Kinsky. Eine Freundin.
Christian Hanl
P.S. Am 9. November 2022 erklangen Worte aus Helgas Tagebuch in der Dresdner Philharmonie. Im Rahmen des Konzertes
musikalisch gedenken
unter der Leitung von Wolfgang Hentrich kamen drei Texte der "Mädchen von Zimmer 28" zum Vortrag. Einer war von Helga. Es war ein Auschnitt aus dem Eintrag vom 22. September 1943: "Was ist Nichts? ...
Ich wünschte mir, dass der Traum der Menschheit in Erfüllung geht - in Frieden zu leben".