Am 27. Januar 1943 notierte Otto Pollak aus Wien in sein Kalendarium: "4 h nachmittags Übersiedlung Helgas ins Mädchenheim L 410. Mein Umzug ins Invalidenheim L 231. Ankunft des Co-Transportes aus Ungarisch-Brod - 1.000 Personen."
Zwei Tage später schildert die 12-jährige Helga Pollak diesen Augenblick in ihrem Theresienstädter Tagebuch:
"Ich bin eingezogen ins Mädchenheim. Es ist ein sonniges Zimmer im Gebäude der ehemaligen Kommandantur. Das Haus liegt neben der Kirche, unsere Fenster gehen auf den Hauptplatz. Ich könnte immer aus dem Fenster schauen, weil ich schöne Berge sehe (Mittelböhmisches Gebirge, den Berg Milešovka). Wenn es klar ist, sieht man auf einem Berg ein Kreuz und auf einem anderen eine Burg. - Die Mädchen haben keinen guten Eindruck auf mich gemacht. Als ich ihnen sagte, dass ich zu ihnen ziehe, baten sie die Betreuerin, mich anderswo unterzubringen. Die Betreuerin hat es versucht, doch es ging nicht. Ich schlafe auf einer Matratze im mittleren Teil der dreistöckigen Pritschen. Alles drückt mich. Ich bin sehr müde, deshalb höre ich auf zu schreiben."
Heute am 27. Januar 2025 beginne ich die passagenweise Vorveröffentlichung des einführenden Kapitels der gründlich überarbeiteten, erweiterten und aktualisierten Neuausgabe des erstmals 2004 erschienenen Buches Die Mädchen von Zimmer 28. Es ist meine Stimme angesichts dessen, was am 7. Oktober 2023 und danach geschah. Es ist mein Beitrag angesichts der erschreckenden Spaltung in unserer Gesellschaft und der Erschütterung der Holocaust-Erinnerungskultur, die für mich zu einer Herzensangelegenheit geworden ist. Es ist meine mir gegenwärtig einzig mögliche Art der Teilnahme am gesellschaftlich-politischen und demokratischen Diskurs und Dialog. Ich tue es im Geiste der "Mädchen von Zimmer 28" und für die Werte, Hoffnungen und Ziele, die unser Room Erinnerungsprojekt ausmacht. Ich tue es, weil es mir zur Lebensaufgabe wurde, das Vermächtnis dieser Mädchen zu bewahren, lebendig zu halten und es jungen und zukünftigen Generationen zu vermitteln - im Interesse einer besseren Welt.
Ich tue es auch all der Freunde willen, die wir, die Überlebenden und ich, seit Publikation der Erstausgabe und der gleichnamigen Ausstellung im Jahr 2004 gewonnen haben - engagierte Menschen, die unser Erinnerungsprojekt aufgegriffen haben und die Geschichte der "Mädchen von Zimmer 28" für ihre pädagogische oder künstlerische Arbeit auf unterschiedliche Weise nutzten oder nutzen. Ich tue es auch, weil es seit 2007 den Berliner Verein Room 28 gibt, der die Bewahrung und Vermittlung des Vermächtnisses dieser Mädchen in seiner Satzung festgeschrieben hat. Ich tue es im Interesse der Zukunft unseres Erinnerungs- und Bildungsprojektes. Und ich tue es um unseres Zieles willen.
Die einzelnen Passagen des einleitenden Kapitels werden sukzessive in den Untermenüs meines
Statements erscheinen. Heute schalte ich
Einblick-1 frei.
Hier gehts zur Vorveröffentlichung:
Das Buch kommt im April 2025 heraus.
Medienvertreter*innen können eine
Leseprobe
anfordern: edition@room28.de